Home Ebene zurück Weiter Neuigkeiten Kontaktinfos Fachschaftskram Feedback

 

Ebene zurück

Diesen Artikel wollte ich veröffentlichen, nach reiflicher Überlegung änderte ich ihn ihn noch. Ohne ausreichendes Wissen um die genauen Aktivitäten unserer Standesvertreter auch außerhalb des direkten Kontextes der Äußerung vom Jahresanfang nehme ich mich mit meinen Verurteilungen noch etwas zurück. 

Bis ich eines Tages genug weiß, um mich dazu berechtigt zu fühlen, lauthals meine Kritik herauszuschreien. ;)

Wo ist denn Euer Selbstverständnis, bitte?

 „Wir brauchen keine Weber, sondern mehr Webmaschinen.“ Anfang Juni 1844 hätte mir das öffentliche Verkünden dieser These etwa in Schlesien sicher wenig Freunde gemacht. Heute würde ich dafür bestenfalls belächelt. Trotzdem erlaubt mir mein Recht zur freien Meinungsäußerung auch, mich mit solchem Quatsch lächerlich zu machen, wenn ich das wünsche. Jedem anderen in unserer Demokratie übrigens auch: Politikern, Krankenkassenfunktionären, der Stiftung Warentest, der Pharmaindustrie, ... Zum Beispiel auch mit der Äußerung eines Satzes wie: „Apotheken sind ersetzbar, der Arzt nicht“.

Es wirkte aber gar nicht lächerlich, als dies ausgerechnet der oberste Jurist im Dienst der Apotheker öffentlich äußerte, sondern eher erschreckend. Ob er es so meinte oder nicht, spielt keine Rolle: Es hat jemand laut gesagt, und niemand widerspricht.

„Apotheken sind ersetzbar, der Arzt nicht“. Niemand, der dem sachlich-argumentativ entgegenträte. Keiner, der die Gelegenheit wahrnimmt, diese kaum erst vor zwei Wochen entstandene Idee auseinander zu nehmen und ihr in aller Deutlichkeit zu widersprechen. Statt dessen werden Erklärungen nachgereicht, wie es dazu kommen konnte. Doppelt und dreifach kann man lesen, dass aus dem Zusammenhang gerissen zitiert worden sei. Schön für den scheidenden ABDA-Sprecher, der Apothekerschaft helfen diese Veröffentlichungen wenig.

Dieser Satz scheint so etwas wie ein Tabu zu sein, diese Abfolge von Worten dürfte es am besten gar nicht geben. Zumindest erwecken die Äußerungen in der letzten DAZ diesen Anschein. Wenn ich umgekehrt laut riefe: „Ärzte sind ersetzbar, Apotheker aber nie“, wie lange würde es dauern, bis sich jemand mit einem deutlichen Widerspruch zu Wort melden würde. Aber in diesem Fall? Entsetzen und Bestürzung darüber, wie es zu dieser Äußerung kommen konnte, Entschuldigungen, Erklärungen.

Warum ist das die einzige Art der Reaktion? Entweder ist die Idee so absurd, dass sie gar keiner Diskussion bedarf. Oder sie erscheint so gefährlich, dass man sie lieber wegschiebt oder totschweigt.

Wenn kleine Kinder beim Versteckspiel die Augen schließen, bilden sie sich ein, für den Suchenden unsichtbar zu werden, weil sie ihn ja selbst nicht mehr sehen können. Sie lernen meist recht schnell, dass das nicht funktioniert, die Apotheker scheinen sich aber einzubilden, mit dieser Taktik erfolgreich sein zu können. „Apotheken sind ersetzbar, der Arzt nicht“: Ich hab’s nicht gehört, dann hat es vielleicht auch niemand gesagt.

Als Pharmaziestudent, der im übrigen selbst Standespolitik auf Studentenebene im BPhD betreibt bin ich im Moment nicht mehr so sicher, ob es den Beruf, den ich eines Tages auszuüben gedenke, dann in der Form noch geben wird. Denn die Apotheker haben keine gute Lobby. Nicht im BMG, wo es nur Ärzte und sonstige Heilberufe zu geben scheint. Ganz sicher auch nicht bei den Krankenkasse, die lieber heute als morgen Distributionsautomaten aufstellen oder Internetapotheken legalisieren würden. „Apotheken sind ersetzbar, der Arzt nicht“. Auch die Pharmaindustrie weiß das, für die der Vertriebsweg ihrer Produkte nur in wenigen Fällen eine Rolle spielt. Ob die genannten Parteien der Apothekerschaft wie Windmühlenflügel erscheinen, gegen den anzurennen es gar nicht lohnen kann?

„Apotheken sind ersetzbar, der Arzt nicht“. Ich vermisse das in der Apotheker Zeitung proklamierte „Politische Erdbeben“ sehr! Wo bleibt der Widerspruch? Die Reaktionen, die energisch deutlich machten, dass das inhaltlich nicht richtig wäre? Wenn sich nicht einmal die Apotheker gegen ihre Abschaffung verteidigen, wer denn dann?

Das brandaktuelle Wort „Verbraucherschutz“ kann auch bedeuten, diese Verbraucher vor Kostenfaktoren zum Beispiel im Gesundheitswesen zu schützen, wenn diese nicht mehr sinnvoll erscheinen...

„Apotheken sind ersetzbar, der Arzt nicht“... Der Satz gibt schon zu denken. Das Verwünschen des Momentes, in dem er laut ausgesprochen wurde und das Berufen auf derzeit bestehende Gesetzeslagen wird den Apothekern nicht helfen. Sie sollten statt dessen den Mut haben ihm sich zu stellen und das Selbstverständnis ihrer Rolle im Gesundheitswesen deutlich zu machen.

Einem alten deutschen Sprichwort zufolge sagen Kinder und Narren die Wahrheit. Die kann man nicht verbieten. Aber durchaus diskutieren, ob sie diese Bewertung verdient oder doch „nur“ Narretei genannt werden sollte.

Zurück   TOP

Home ] Ebene zurück ]

Senden Sie E-Mail mit Fragen oder Kommentaren zu dieser Website an: Webmaster@dopamine.de 
Stand: 18. Februar 2001 19:01